Liebe Mitglieder,
Sie halten das erste Bulletin der Gesellschaft für bedrohte Sprachen in den Händen. Noch ist sein Inhalt recht bescheiden, doch sind wir voller Zuversicht, daß die folgenden Ausgaben von Berichten über erfolgreiche Aktivitäten zu den von uns gewählten Zielsetzungen nur so bersten werden. Haben Sie bitte auch Verständnis für das noch etwas provinzielle Outfit, das weitgehend ein persönliches Machwerk des Vorsitzenden und der Schriftführerin darstellt (plus drucktechnische und buchbinderische Leistungen diverser Mitarbeiter, denen hiermit herzlichst gedankt sei). In Zukunft wird sich ein Redaktionsteam um Pep und Dynamik in der Gestaltung kümmern. Beiträge von Mitgliedern, etwa Berichte über Dokumentationsprojekte oder Rezensionen einschlägiger Literatur, sowie Anregungen jeder Art, sind höchst willkommen.
In der Gründungsphase des Vereins haben wir mehr Kraft und Zeit als uns lieb war in die Auseinandersetzung mit den juristischen und fiskalischen Imponderabilien der Vereinsgründung selbst investieren müssen. Gründungen gemeinnütziger Gesellschaften sind in diesem unserem Lande offenbar nicht ganz so einfach, wie man sie sich in seinem naiven Enthusiasmus vorstellt. Einzelheiten sollen hier nicht ausgebreitet werden; die zentralen Punkte sind im Protokoll zu TOP 3 der Mitgliederversammlung vom 21.11.98 (S. 4) enthalten, vgl. auch "Aktuelle Informationen: Zur Entwicklung des Vereins" (S. 9). Die Schwierigkeiten betrafen im wesentlichen die Anerkennung unseres Satzungstextes durch das Finanzamt. Wir haben die auferlegten Änderungen nunmehr eingearbeitet und somit die Grundlage für die Anerkennung der Gemeinnützigkeit geschaffen. Der geänderte Text der Satzung ist in diesem Bulletin (S. 19) wiedergegeben.
Dennoch sind wir auch für den eigentlichen Zweck unserer Vereinsgründung nicht ganz untätig gewesen. Wir können voller Stolz berichten, daß wir bereits zu Beginn des zweiten Jahres unseres Bestehens in der Lage sind, eine Beihilfe von DEM 5.000,- (= 2556,46 EUR) für eine Projektförderung auszuschreiben (Text der Auschreibung S. 17). Dieser erfreuliche Tatbestand wurde ausschließlich durch großzügige Spenden ermöglicht, für die wir auch an dieser Stelle unseren tiefempfundenen Dank aussprechen möchten. Auch in Zukunft werden Projekte zur Dokumentation und Erhaltung bedrohter Sprachen von uns nur über Spendenmittel finanziert werden können; die Mitgliedsbeiträge reichen hierfür naturgemäß nicht aus. Allen Mitgliedern sei daher an dieser Stelle noch einmal dringend ans Herz gelegt, sich für die Einwerbung von Spenden einzusetzen. Machen Sie Ihre Verwandten, Bekannten und Arbeitskollegen auf die GBS und ihre Zielsetzung aufmerksam; spenden Sie selbst ein paar Mark über den regulären Mitgliedsbeitrag hinaus, wenn Sie sich dazu finanziell in der Lage sehen - auch geringste Beträge können eine große Hilfe sein. Haben Sie gar einen Onkel, der noch unschlüssig über gewisse Passagen seines Testaments sein sollte, vergessen Sie nicht, daß Sie GBS-Mitglied sind! Wir werden uns als Körperschaft natürlich weiterhin um Öffentlichkeitsarbeit und Finanzierungsquellen "auf höherer Ebene" bemühen, sind aber auch dabei auf Ihre Mitarbeit als Einzelmitglieder stark angewiesen. Wir nehmen übrigens auch "restringierte", d.h. stärker zweckgebundene Spenden entgegen: z.B. wenn jemand eine bestimmte Summe etwa für einen Computer spenden will, auf dem ein Mitglied einer bestimmten Sprachgemeinschaft eine Wörterbuchdatenbank für die betreffende Sprache einrichten will, oder ähnliches. Mit einem Wort, sollten Ihnen potentielle Spender über den Weg laufen, überzeugen Sie sie, daß man sein Geld für weniger sinnvolle Dinge ausgeben kann (und daß sich die Spendensumme für die Spender beträchtlich reduziert, da sie sie von der Steuer absetzen können)! - Und in diesem Zusammenhang noch eine Bitte: Vergessen Sie die Einzahlung Ihrer eigenen Mitgliedsbeiträge nicht!
Unser Verein hat zur Zeit 87 Mitglieder. Eine alphabetische Mitgliederliste finden Sie auf den Seiten 24-25. In der Einleitung zur Mitgliederliste (S. 24) wird ein Format vorgeschlagen, in dem solche Listen in Zukunft repräsentiert werden sollen, und zwar sowohl im Bulletin als auch auf der Website des Vereins, die momentan eingerichtet wird. Die Website der GBS wird unter der Adresse
zu erreichen sein. Sie wird in den nächsten Tagen aufs Netz kommen. Sie wird das gedruckte Bulletin natürlich nicht ersetzen, es aber auch in elektronischer Form zugänglich machen und außerdem eine Reihe zusätzlicher aktueller Informationen enthalten.
Der Vorstand wünscht allen Mitgliedern der GBS ein gesundes und erfolgreiches 1999!
Hans-Jürgen Sasse
Die offizielle Gründungssitzung der GBS, an der 21 Gründungsmitglieder teilnahmen, fand am 7. November 1997 statt. Die Eintragung in das Vereinsregister beim Amtsgericht Köln erfolgte am 20. Januar 1998. Die Vereinsgründung wurde in verschiedenen einschlägigen Publikations-organen annonciert. Bei einer ersten Werbekampagne auf der 20. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Sprachwissenschaft (DGfS) am 4.-6. März 1998 in Halle wurde ein Informationstisch am Tagungsort eingerichtet, der während der gesamten Dauer der Tagung von Mitgliedern des Vorstands besetzt war (s. Foto); außerdem berichtete der Vorsitzende in der Mitgliedervollversammlung der DGfS über unsere Vereinsgründung. Dabei konnte eine beträchtliche Anzahl neuer Mitglieder gewonnen werden. Ein Wermutstropfen trübte dann die euphorische Stimmung des Vorstands, als sich im Sommer 1998 das Finanzamt mit der Mitteilung meldete, daß die im Vereinsregister des Amtsgerichts eingetragene (wohlgemerkt, mit Notar und Amtsgericht abgeklärte!) Version der Satzung nicht den fiskalischen Bestimmungen zur Gemeinnützigkeit entspräche. Auf Vorschlag des Finanzamtes wurden die auferlegten Satzungsänderungen in einer Vorstandssitzung am 27.07.98 "beschlossen". Der dadurch zustandegekommenen Satzungsneufassung versagte nun allerdings wiederum das Amtsgericht die Zustimmung, weil die Änderungen nicht in einer Mitgliedervollversammlung beschlossen wurden. Dies haben wir dann am 21.11.98 nachgeholt. Da wir aber über eine "vorläufige rückwirkende Gemeinnützigkeit" verfügten, entsteht den edlen Spendern kein Schade.
Schwerpunktprogramm "Dokumentation bedrohter Sprachen" der Stiftung Volkswagenwerk
Die "Sympathisanten der AGBS", die unsere alten "updates" erhielten, werden sich an den langen und dornigen Weg erinnern, der über nunmehr fünf Jahre dem Ziel eines Schwerpunktprogramms "Dokumentation bedrohter Sprachen" bei der Stiftung Volkswagenwerk entgegenführt. Bereits im vorigen Jahr hatte das Kuratorium der Stiftung ein generelles Interesse an der Förderung eines solchen Programms ausgesprochen. Einzelheiten zur Gestaltung sollten allerdings vorher in einem Expertengespräch diskutiert werden. Dieses Gespräch fand am 13.-14. Januar in Bielefeld statt. Hier wurde beschlossen, daß die Initiativgruppe baldmöglichst eine endgültige Fassung des Programmvorschlags einreichen soll, die dem Kuratorium in der Junisitzung zur Entscheidung vorgelegt wird. Im Falle der Bewilligung sollen nach der derzeitigen Vorstellung zunächst einige Pilotprojekte starten, die ein Jahr dauern und dazu dienen, verschiedene Aspekte und/oder Phasen von Projekten zu illustrieren bzw. zu erproben. Nach dieser Anlaufphase wird das Programm dann öffentlich ausgeschrieben.
Arbeitstagungen?
Von mehreren Mitgliedern ist vorgeschlagen worden, in Zukunft die jährliche Mitgliederversammlung mit einer Arbeitstagung zur Thematik zu verbinden, so wie dies auch die DGfS tut. Sicher würde dies den Anreiz zur Teilnahme erhöhen, besonders für vom Versammlungsort (der nicht notwendigerweise immer Köln sein muß, nebenbei bemerkt) entfernt wohnende Mitglieder. Desweiteren verspricht man sich davon größere Außenwirkung. Schließlich verbessere dies den Informationsfluß. Die Begeisterung des Vorsitzenden ist in diesem Punkt verhalten, aber das ist natürlich eine individuelle Meinung, die nicht unbedingt vom gesamten Vorstand und erst recht nicht vom gesamten Verein geteilt werden muß. Begründung für die Haltung des Vorsitzenden: Turnusmäßige Arbeitstagungen zu "Endangered Languages" gibt es jährlich mindestens zwei. Eine wird von unserem Schwesterverein in Großbritannien, der "Foundation for Endangered Languages", im Zusammenhang mit deren Jahresversammlung durchgeführt. Die zweite wird vom "Committee for Endangered Languages" der Linguistic Society of America veranstaltet, der Schwesterorganisation unseres Vorläufers AGBS. Darüberhinaus gibt es an verschiedenen Stellen der Welt immer wieder ähnliche Veranstaltungen, die von Einzelindividuen organisiert werden. In den internationalen Diskussionen sind mehrfach Vorwürfe gegen diese Praxis erhoben worden mit dem Argument, daß man Zeit und Geld lieber für den eigentlichen Zweck investieren sollte (Devise: "Handeln statt reden"). Der Vorsitzende teilt im Moment diese Meinung, schlägt aber vor, daß die Frage zu einem Tagesordnungspunkt auf der nächsten Mitgliederversammlung gemacht wird.
Zusammenarbeit mit einschlägigen Organisationen
Der Vorstand wird sich bemühen, im Laufe der Zeit eine Datenbank mit Informationen zu allen nationalen und internationalen Vereinen, Organisationen und Stiftungen aufzubauen, die die Förderung der Dokumentation und/oder Erhaltung bedrohter Sprachen zur Zielsetzung haben. Die Daten werden auf unserer Website abzurufen sein. Wir werden versuchen, alle Links zu etablieren, derer wir habhaft werden, so daß die betreffenden Einrichtungen direkt von unserer Homepage aus zugänglich werden. Der Vorstand wird sich ferner bemühen, mit so vielen dieser Organisationen wie möglich Kontakt aufzunehmen, Informationen auszutauschen und Kooperationsvereinbarungen zu treffen. Mit einigen Vertretern solcher Organisationen konnten wir am Rande des VW-Symposiums am 13./14. Januar Verbindungen aufbauen (s. auch unten: "Gründung einer Zeitschrift"). Mit Douglas Whalen, dem Präsidenten des "Endangered Languages Fund", der bereits vor einigen Monaten von Gunter Senft angesprochen worden war, wurden Gespräche bezüglich einer künftigen Zusammenarbeit geführt. Auch die Kontakte mit Tasaku Tsunoda vom International Clearinghouse for Endangered Languages (ICHEL) wurden intensiviert.
Gründung einer Zeitschrift
Von unserem Mitglied Anke Beck (editor-in-chief bei Mouton de Gruyter, Berlin) wurde der Vorschlag eingebracht, eine Zeitschrift für bedrohte Sprachen zu gründen, die als Vereinsorgan sowohl für uns als auch für verschiedene Schwesterorganisationen dienen könnte. Eine solche Zeitschrift könnte gleichzeitig als stets aktualisiertes Forum für Informationen zu Situation und Grad von Bedrohtheit von Sprachen in verschiedenen Teilen der Welt, ethnographische Informationen, Berichte über laufende Dokumentationsvorhaben usw., aber auch für die Diskussion über technische Standards von Dokumentationsverfahren u.ä. zur Verfügung stehen. Die Zeitschrift sollte nicht nur Sprachwissenschaftler, sondern die gesamte an der Problematik interessierte Welt ansprechen. In diesem Zusammenhang müßten wir uns noch Gedanken über die Art der Darstellung machen. Soll der Stoff eher populärwissenschaftlich aufbereitet werden (als "magazine") oder eher in Form eines wissenschaftlichen "journal"? Als geschäftsführende Herausgeberin hat sich Alexandra (Sascha) Aikhenvald (ANU Canberra) angeboten. Überlegungen zur Gestaltung eines solchen Journals sowie Verhandlungen mit Schwesterorganisationen, die gegebenenfalls an der Beteiligung an einer solchen Zeitschrift interessiert sind (Endangered Languages Fund, Foundation for Endangered Languages, Terralingua), laufen zur Zeit auf vollen Touren. Ungeklärt ist bisher die grundsätzliche Finanzierungsfrage, in diesem Zusammenhang auch die Assoziation der Zeitschrift mit den verschiedenen Organisationen: wie viele Mitglieder wie vieler und welcher Vereinigungen kann man insgesamt rekrutieren, die die Zeitschrift regelmäßig beziehen? Wir denken eher an einen mit der Mitgliedschaft in den betreffenden Vereinen gekoppelten Bonus als ein mit der Mitgliedschaft und damit auch mit dem Mitgliedsbeitrag unauflösbar verbundenen Bezug, da sich nicht nur in unserem Verein, sondern auch in anderen Organisationen Mitglieder befinden könnten, die eine Mitgliedschaft zu einem niedrigeren Mitgliedsbeitrag ohne Bezug dieses Organs vorziehen. Überlegt wird ferner, ob man den Bonus nicht auch anderen Vereinigungen (LSA, DGfS, Society for Linguistic Anthropology usw.) anbieten könnte, um eine konstant hohe Abonnentenzahl zu gewährleisten.
Als Titel für die Zeitschrift wurde von Doug Whalen vorgeschlagen: "Endangered Languages", mit einem Untertitel "Language Documentation and Preservation".
Individuelle Öffentlichkeitsarbeit
Abgesehen von der Spendenwerbung, die im Editorial angesprochen wurde, gibt es vielerlei Möglichkeiten individueller Werbung. In Vorstandsgesprächen der letzten Wochen wurde die Idee entwickelt, alle Mitglieder, die e-mail oder eine Homepage mit HTML-Links haben, um folgendes zu bitten: Geben Sie in Ihrer Adressenangabe auch Ihre Mitgliedschaft in der GBS mit einem Link zu unserer Homepage an! Sie schaffen so die Möglichkeit, bei jeder Korrespondenz auf unsere Gesellschaft aufmerksam zu machen.
Vereinsarchiv
Auf der Mitgliederversammlung wurde die Gründung eines Vereinsarchivs vorgeschlagen, in dem relevante Materialien zum Thema "Bedrohte Sprachen" gesammelt werden sollen. Ein Grundstock hierfür ist in Köln schon vorhanden. Wir würden uns freuen, wenn Sie, liebe Mitglieder, uns z.B. Belegexemplare von Veröffentlichungen oder jegliches andere Material zur Dokumentation Ihrer Aktivitäten auf diesem Gebiet zukommen lassen könnten.
Hilferuf der Königin der Yuchi
Kürzlich erhielten wir folgendes e-mail mit der Bitte um Weitergabe (der Originaltext ist hier unverändert wiedergegeben): From: "Jan Evans" <yuchineeevans@prodigy.net>
To: <hj.sasse@uni-koeln.de>
Subject: Re: Native language
Date: Wed, 30 Dec 1998 13:51:44 -0000
Dear Prof. Hans-Jurgen Sasse:
For many years my people have spoken a language that has been studied by many experts. Now our distinct language is dieing out. We have probably 10 out of a tribe of approximately 1500 that can speak our language. Our people can get no help from the nation we were throw into. My tribe is one of the 46 tribes that made up the Creek Nation of Oklahoma. Of all the tribes, my tribe continues to keep their old ways and speak their own language. We have asked the Creek Nation many times to record our language to help us preserve it but they refuses to help or offer in support. I know that the government has given millions of dollars in grants for this reason but I do not know how to obtain them. Can you give me information on how I would go about getting some resources or an expert to help us? Two of the many professors that have studied our language and recorded it our Professor Franz Boas of Columbia University, New York City and Professor Gunter Wagner of Berlin, Germany. I have copies of both their work. Thank you for your time and in your efforts to preserve the Native Languages.
Sincerely, Jan Evans Queen of the Yuchi People