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Die Vor-Vorgeschichte: Ostberlin 1987

Die Ursprünge der GBS gehen zurück auf einen Vortrag von Johannes Bechert auf dem Fourteenth International Congress of Linguists in Ostberlin (10.-15. August 1987). Bechert stellt in diesem 1990 publizierten Vortrag fest, dass die Sprachwissenschaft das Verschwinden der sprachlichen Vielfalt weitgehend ignoriere und damit riskiere, einen wesentlichen Teil ihrer empirischen Grundlagen zu verlieren. Das im Unterschied zu anderen Wissenschaften, insbesondere der Biologie, die das Artensterben zu einem gesellschaftlichen Thema gemacht habe. 

In einer direkten, von Christian Lehmann koordinierten Reaktion auf diesen Vortrag wurde dann bei der Mitgliederversammlung des CIPL (Comité International Permanent des Linguistes) eine Resolution angenommen, mit der die bedrohte Sprachenvielfalt zu einem zentralen Thema des CIPL gemacht wurde.

In der Folge gab es zahlreiche Aktivitäten sowohl des CIPL wie auch einzelner nationaler Fachverbände, einschließlich der DGfS (Deutsche Gesellschaft für Sprachwissenschaft) und der LSA (Linguistic Society of America). 

Der Vorstand richtet eine Arbeitsgruppe nach §7(4) 1 der Satzung ein mit dem Ziel, die wissenschaftlichen, organisatorischen und personellen Rahmenbedingungen festzustellen für eine auf nationaler Ebene koordinierte und international abgestimmte Langzeitaktivität zum Zwecke der Dokumentation von Sprachen, die vom Aussterben bedroht sind.

Bewilligter Antrag bei der DGfS Vollversammlung, 27.02.1992

Die Vorgeschichte: Die AGBS

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  • Blick ins Archiv: Aktenregal der AGBS.
  • Informationsbroschüre der AGBS in der 1. Auflage 1993.

In der Folge des Vortrags von Johannes Bechert 1987 wurde auch bei der DGfS das beschleunigte Verschwinden von Sprachen und Dialekten zu einem wichtigen Thema. Bei der DGfS-Vollversammlung in Bremen wurde am 27. Februar 1992 eine Arbeitsgruppe “Bedrohte Sprachen” (AGBS) eingerichtet, um diesem Thema besonderes Gewicht zu geben. Die AG sollte die Aufmerksamkeit sowohl im Fach wie auch der breiteren Öffentlichkeit auf das Thema „Bedrohung sprachlicher Vielfalt“ lenken. 

Die ersten und wichtigsten Ergebnisse der AG-Arbeit waren zum einen eine Informationsbroschüre (1. Auflage 1993) sowie Flyer und Poster zum Thema. Zum andern wurde mit Unterstützung der Volkswagen Stiftung ein internationaler Sommerkurs „Sprachbeschreibung und Feldforschung“ in Köln durchgeführt, bei dem viele jüngere Sprachwissenschafter*innen aus Deutschland und den Nachbarländern erstmals aus erster Hand Feldforschung in Theorie und Praxis bei führenden Spezialisten wie Colette Grinevald, John Gumperz oder John Haviland studieren konnten. Eine Vielzahl der Teilnehmenden hat in den darauf folgenden Jahren federführend an Sprachdokumentationen partizipiert. Außerdem wurde über den Sommerkurs der Kontakt zur Volkswagen Stiftung hergestellt, die sich sehr für das Thema interessierte und die Anregung gab, ein Forschungsprogramm dazu zu entwickeln und zur Förderung bei der Stiftung einzureichen.

 

Die Gründung der GBS 1997

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  • Logo der GBS
    Heutiges Logo der GBS.
  • Gründungsvorsitzender Prof. Dr. Hans-Jürgen Sasse (1943-2015)
  • Flyer mit ehemaligem Logo der GBS.

Die Notwendigkeit, die Aktivitäten im Bereich von Sprachdokumentation und Spracherhalt deutlich zu verstärken, bestimmte von Anfang an die Agenda der AGBS. Es wurde relativ schnell klar, dass hier die gut etablierten Förderinstrumente der Wissenschaft, vor allem die der DFG, nicht besonders hilfreich waren. U.a. weil es oft darum ging, lokale Initiativen zu unterstützen. Deshalb entstand die Idee, selbst Spenden für den Sprachenerhalt zu sammeln. Um das zu ermöglichen, wurde die AGBS in einen e.V. umgewandelt, sodass steuerbefreites Spendensammeln möglich wurde.

Die Gründungssitzung des Vereins “Gesellschaft für bedrohte Sprachen e.V.” fand am 7. November 1997 statt. Sitz des Vereins ist Köln. Die 21 Gründungsmitglieder wählten den Sprachwissenschaftler Hans-Jürgen Sasse zum 1. Vorsitzenden der GBS. Wie geplant werden seitdem auch Spenden gesammelt und Initiativen zum Spracherhalt und zur Sprachdokumentation unterstützt.

Die GBS übernahm von der AGBS auch die Gespräche mit der Volkswagen Stiftung bezüglich einer wissenschaftlichen Initiative zur Sprachdokumentation. Der Prozess war recht langwierig und bedurfte verschiedener Anläufe, aber 1999 war es soweit: Die Volkswagen Stiftung richtete das Programm Dokumentation bedrohter Sprachen ein – das erste seiner Art. Die ersten Pilotprojekte begannen 2000.

Der Verein verfolgt das Ziel, den Gebrauch, den Erhalt und die Dokumentation bedrohter Sprachen und Dialekte zu fördern.

Vereinszweck der GBS laut Satzung § 2 Satz 1.

Aus der Geschichte der GBS

Seit 1997 hat die GBS über 90 Stipendien vergeben und so zahlreiche Dokumentationsprojekte ermöglicht und begleitet. Neben der Organisation einer weiteren Sommerschule zu Feldforschung und empirischer Sprachwissenschaft an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel 1999 haben in den neuen Strukturen auch die Aktivitäten zur Information der Fachwelt und der weiteren Öffentlichkeit über die Dringlichkeit der Anliegen der GBS zugenommen.

Ein besonderes Highlight war die Unterstützung für die Entwicklung, Ausstellungskonzept zum Thema „Bedrohte Sprachen“ im Rahmen einer Kommunikationsdesign-Abschlussarbeit von Manuela Hertling. Das Konzept wurde 2018 professionell im Berliner Museum für Kommunikation umgesetzt.

Auch war die GBS in den ersten 20 Jahren ihres Bestehens in besonderem Maße im Programm Dokumentation bedrohter Sprachen der Volkswagen Stiftung engagiert, sei es durch Dokumentationsprojekte ihrer Mitglieder oder die Entwicklung neuer Facetten und Erweiterungen des Programms. Es ist wesentlich GBS-Mitgliedern zu verdanken, dass das Programm statt der ursprünglich angedachten fünf Jahre knapp 20 Jahre bestanden hat.

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